Storify ist gerade erst der Beta-Phase entsprungen und wird unter Journalisten, in Redaktionen und der interessierten Netzgemeinde immer beliebter. Auch im Wettbewerb des Grimme Online Award finden sich inzwischen Storify-Beiträge. Max Ruppert, Journalist und Kommunikationswissenschaftlerwirft für quergewebt einen Blick auf die Anwendung, die Journalisten und User zu Social-Media-Geschichtenerzählern macht und geht der Frage nach: Ist Storify eine neue Art, das Netz zu sortieren?

Zugegeben: Über Storify hatte ich bisher zwar viel gehört, aber noch keine eigenen Erfahrungen mit dem Web-Werkzeug gemacht. Deshalb entschied ich mich für einen Selbstversuch. Nach der wirklich einfachen Anmeldung mit meinem Twitter-Account (geht auch mit Facebook) und einer kurzen Einführungstour konnte ich loslegen mit meinem Storify-Selbstversuch. Was dabei rausgekommen ist, können Sie hier etwas ausführlicher nachlesen: Social-Media-Storytelling mit Storify.

Um es gleich vorwegzunehmen: Neu sortieren kann ich das Netz mit Storify natürlich nicht. Ich würde das Tool eher wie eine Folie sehen, die über das Social Web gelegt wird und mit der ich dann eine bestimmte Ecke hervorheben und eine bestimmte Geschichte mit verschiedenen Social-Media-Inhalten erzählen kann. Mit Storify schlägt man also eine Schneise in den sekündlich wachsenden Dschungel der Blogs, Facebook-Seiten, Tweets, flickr-Fotos und so weiter. Insgesamt können im Moment 16 Social-Media-Dienste eingebunden werden: hier ein Screenshot des Auwahlfensters:

Screenshot: Auswahlfenster der Social-Media-Tools (Zwei Angebote sind wegen des Ausschnitts nicht zu sehen). 

Was nicht geht: Fotos oder Dokumente direkt von der Festplatte in eine Storify-Geschichte hochladen. Wenn ich das tun will, muss ich meine Fotos z.B. bei twitpic hochladen, um sie dann in meine Storify-Geschichte einbauen zu können. Wenn ich meinen Inhalt bei Twitter, flickr und Co. gefunden habe, ist das System kinderleicht: Von der rechten Seite, auf der gesucht wird, kann ich beispielsweise den Tweet per drag-and-drop auf die linke Seite ziehen, wo in einer Art “Story-Timeline” gesammelt, verworfen, angeordnet, sortiert und geschrieben werden kann.

Screenshot: Die zwei Felder von Storify

So können Nutzer auf sehr einfache Art und Weise Geschichten aus dem “Social-Media-Land” erzählen. Diese Geschichten können brisant, aktuell, lustig oder nachdenklich sein. Mal listen die Autoren bzw. Kuratierer einfach nur Tweets zu einem bestimmten Thema auf, ohne viel eigenen Text, wie der auf Bundeswehr-Themen spezialisierte Blogger Thomas Wiegold, der aktuell Tweets und weitere Informationen zu Taliban-Anschlägen in Kabul dokumentiert.  Ein packendes Beispiel für ein Storify mit kurzen Zwischentexten und einer kleinen, persönlichen Geschichte ist die Hunderettung in Wichita im US-Bundesstaat Kansas. Pressefotograf Travis Heying von der ortsansässigen Zeitung Wichita Eagle hat die Fotos eines Feuerwehreinsatzes in einer packenden Storify-Geschichte gebündelt: Wichita Firefighters Rescue a Dog from a Swollen Creek. Besonders bei dieser letzten Geschichte von der Hunderettung fällt es mir leicht, vom Autor der Geschichte zu sprechen. Wenn einfach nur Content aneinandergereiht wird, passt vielleicht der Begriff Kurator/in besser. Auf die damit verbundenen Urheberrechtsproblematik gehe ich hier nicht ein, in meinem Storify-Selbstversuch finden Sie einige Gedanken und Verweise dazu.

Die Stories von Wiegold und Heying konnten übrigens in den ersten zehn Stunden rund 4000 Besucher verbuchen, während meine Storify-Premiere in den ersten Stunden auf gerade mal 80 Besucher kam. Und das ist wohl auch nur dem Umstand zu verdanken, dass Storify bei der Veröffentlichung auch alle vorkommenden Personen informiert und die Geschichte bei Facebook gepostet wird. Wer also gleich Millionen von Besuchern erwartet, der überschätzt Storify wohl – es ist in Journalistenkreisen und unter Bloggern zwar en vogue, aber bei der breiten Masse der Internetnutzer noch nicht angekommen. Noch ist Storify eher ein Nischenprodukt für medien- und internetbegeisterte Menschen, wie Sonja Kaute. Sie hat sich intensiv mit Storify beschäftigt und in ihrem Blog “Stift und Blog“eine Typologie des Storify-Gebrauchs aufgestellt. Sie zählt dort acht Arten auf, wie Storify verwendet werden kann: Vom Rückblicks-Storify über das Breaking-News-Storify hin zu Storify als Präsentationsmedium.

Kollaborativ ist das Geschichtenerzählen mit Storify für mich nicht wirklich, da ich eigentlich nur den Inhalt anderer zusammen sammle und neu zusammenstelle. Dass andere Nutzer wirklich mitschreiben an meiner Storify-Geschichte, so wie ich z.B. WordPress als Content-Management-System nutzen kann, dafür gibt es meines Wissens keine Beispiele. Einzig die Kommentare unterhalb jeder Storify-Story gehen in diese Richtung.

Fazit

Aus dem Selbstversuch und den gelungenen Beispielen ziehe ich den Schluss, dass das Tool vor allem mit sparsamem Text und starken Bildern oder Tweets oder Videos gut funktioniert. Die Länge und die Fokussierung des Storify-Eintrags scheint mir auch sehr wichtig zu sein: Lieber eine kleine Geschichte kurz und bündig mit den Social-Media-Inhalten erzählen, als zu viele Aspekte reinzubringen – siehe meine eigene erste Storify-Geschichte.

Wegen der einfachen Bedienung kann ich mir schon vorstellen, dass Redaktionen und einzelne Journalisten häufiger mit Storify arbeiten. Vor allem, um Reaktionen und Kommentare zu Beiträgen oder Ereignissen zu bündeln und zu dokumentieren. Viele größere Redaktionen haben auch einen eigenen Storify-Account, wie z.B. die Berliner Morgenpost. Der Storify-Gründer Xavier Damann ist sich jedenfalls sicher, dass durch einfache Tools wie Storify ein “golden age for new journalism” gekommen ist, in dem es ganz einfach darum geht, Geschichten zu erzählen. Geschichten, die in den sozialen Netzwerken schlummern.


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