Der schwierige Weg ins Netz

Veröffentlicht von Vera Lisakowski am

Telefonzelle im Iran. Foto: Vera LIsakowski
Telefonzelle im Iran. Foto: Vera LIsakowski
Telefonzelle im Iran. Foto: Vera LIsakowski

Oldtimer vor Gebäude mit Säulen. Foto: Vera LisakowskiBarack Obama ist wieder weg aus Kuba – und jetzt soll vieles besser werden. Unter anderem die Sache mit dem Internet. Das steht bislang nämlich nur wenigen Kubanern zur Verfügung. Nur einer der vielen Staaten weltweit, in dem der Zugang zum Internet für die Bevölkerung eingeschränkt ist. Wir haben uns in zweien umgesehen: Im Iran und auf Kuba.

“Die kann sogar 4G”, sagt der Verkäufer im Elektronikladen in Teheran, um den Preis von 17 US$ zu rechtfertigen, den die SIM-Karte kosten soll. Diesen Ausdruck hatte ich zuvor noch nie gehört, bin aber sicher, dass mein Handy das nicht kann. Egal, denn viele alternative Anbieter gibt es im Iran ohnehin nicht, deshalb sage ich nur “Gibt das Netz das denn her?”. “Ja klar”, meint der Verkäufer, das sei gut im Iran. Ganz Unrecht hat er damit nicht – es konkurrieren immerhin zwei internationale Unternehmen um die Gunst der Kundschaft, die allerdings zumeist ohnehin mehrere Handys besitzt – für jeden Anwendungszweck eins, jeweils mit dem günstigsten Tarif. Gut ist das Netz allerdings nur in den großen Städten, meistens sieht man im Iran nur das “E” im Display. Aber in den Städten, hauptsächlich natürlich in Teheran, leben auch diejenigen, die ein gutes Netz benötigen.

Chatten ja, Nachrichten nein

Neben Telefonieren nutzen sie auch ganz intensiv das Internet. Wie bei uns steht hierbei die persönliche Kommunikation im Vordergrund. WhatsApp ist nicht so stark verbreitet, stattdessen werden meist Viber oder Telegram genutzt. Gesperrt ist WhatsApp allerdings (derzeit) nicht, auch wenn Gerüchte anderes besagen. Ebenso kann Instagram frei genutzt werden – hier lautet der gängige Witz, dass die Internetverbindungen ohnehin so langsam seien, dass ein soziales Netzwerk, das auf der Veröffentlichung von Bildern beruht, keine Bedrohung darstellen kann. Facebook hingegen ist von der Regierung gesperrt, Twitter natürlich auch, wie auch fast alle internationalen Nachrichtenseiten und –Apps. Aus Deutschland zum Beispiel sowohl Tagesschau als auch Spiegel Online – aber auch quasi alle anderen größeren Anbieter.

Der Weg drumherum

Das allerdings hält die Iraner nicht davon ab, diese Seiten und Dienste zu nutzen. Mit immer neuen VPN-Clients werden die staatlichen Sperren und die Kontrolle des gesamten Internet-Verkehrs umgangen. Und es wird auch relativ offen darüber gesprochen, dass man Facebook und Co verwendet – zumindest in Städten und von jüngeren Leuten.

Wie so vieles gleicht dieses aber einem Spiel, einer harmlosen Neckerei, denn wer das Internet ernsthaft kritisch nutzen möchte, wird dies nicht laut in einem Handyshop herausposaunen. Und für denjenigen kann schon die Nutzung eines VPN-Clients zum Problem werden – wer weiß schon, was die Regierungsbehörden gerade wissen und was sie alles mitlesen können. Jeder neue VPN-Dienst könnte auch eine von der Regierung lancierte Falle sein, bei den meisten Messenger-Diensten ist unklar, ob sie mit der iranischen Regierung zusammenarbeiten. Und so funktionieren die Sperren mit dem Klima der Angst das sie schaffen über Umwege eben doch.

Stark eingeschränkter Zugang

Verfallene Plattenbauten mit einem Pferdekarren davor. Foto: Vera Lisakowski

Verfallene Gebäude und Pferdekarren – wer denkt da an Smartphones und Internet? Foto: Vera Lisakowski

Wo der Zugang zum Internet im Iran nur inhaltlich, nicht aber von der Verfügbarkeit eingeschränkt wird – WLAN ist Standard, Smartphones auch, sogar das uramerikanische iPhone – geht die kubanische Regierung einen ganz anderen Weg: Die staatliche Telefongesellschaft ist der einzige Internetanbieter, private Internetanschlüsse sind nicht möglich, auch kein mobiles Internet – zumindest nicht, wenn man eine kubanische SIM-Karte hat. Aber: Wer eine staatliche Nauta-E-Mail-Adresse hat, kann inzwischen seine Mails mobil abrufen. Wenn nicht mal wieder der Server für zwei Wochen ausfällt. Das dafür notwendige Smartphone ist übrigens in Kuba offiziell nicht erhältlich. Aber die überall neu entstehenden Handy-Reparatur-Shops sollen sie im Hinterzimmer verkaufen. Zumindest in der Stadt sieht man auch einige davon.

Was kostet die Welt?

Erst im vergangenen Jahr haben sich die Möglichkeiten, Zugang zum Internet zu bekommen, etwas erweitert: Es gibt jetzt WLAN an einem oder zwei öffentlichen Plätzen in jeder Stadt. Das kostet nur noch etwa die Hälfte von dem, was der Internetzugang in den staatlichen Internetcafés kostet – an denen man überdies immer stundenlang anstehen musste – ist aber mit 2 US$ pro Stunde immer noch weitestgehend unerschwinglich für durchschnittliche Kubaner mit etwa 50 US$ Monatsverdienst. Und es hat den schwierigsten Login und die schlechteste Verbindungsqualität, die bei einem WLAN überhaupt vorstellbar ist. In jedem Fall hat der Tourist mit entsprechendem Roaming-Vertrag einen Vorteil gegenüber den Kubanern: Jederzeit und (fast) überall Internet. Und das auch noch billiger. Das wissen natürlich auch die Kubaner. Wer die Möglichkeit hat, beschafft sich eine spanische oder mexikanische SIM-Karte und lässt sie von der Verwandtschaft im Ausland bezahlen. So können dann auch andere Mailadressen als nur die staatliche abgerufen werden.

Chatten ja, Nachrichten nein

Leute starren auf ihr Handy: In Kuba nur dort, wo es WLAN gibt. Foto: Vera Lisakowski

Leute starren auf ihr Handy: In Kuba nur dort, wo es WLAN gibt. Foto: Vera Lisakowski

Das öffentliche WLAN hingegen wird fast ausschließlich genutzt, um mit den Verwandten in den USA zu kommunizieren. Telefonate dorthin werden von der Regierung bewusst teuer gehalten und mit Skype oder Facetime kann man sich sehen. “Nach Informationen sucht eigentlich keiner im Internet”, sagt die Pensions-Besitzerin, die früher mal Englisch-Professorin war, “da weiß man ja gar nicht, ob man in der teuer bezahlten Stunde was findet.” Die Strategie, der gebildeten Stadtbevölkerung einen Brocken hinzuwerfen, um sie zu beschäftigen, scheint also aufzugehen. Alle freuen sich darüber, dass sie jetzt billiger ins Ausland telefonieren können, kaum einer versucht, kritische Informationen im Internet zu finden, oder gar, sie dort einzustellen.

Abenteuerliche Wege ins Netz

Das hat die gut situierte Pensionswirtin auch nicht vor, aber eine abenteuerliche Idee, um ihren persönlichen Komfort zu steigern: “Mein Mann hat letztens von einer Geschäftsreise aus Spanien einen Router mitgebracht”, erzählt sie “wir wollen versuchen, den Code vom öffentlichen WLAN rauszubekommen und es verstärken, damit wir es zu Hause haben. Dann müssen wir zwar immer noch dafür zahlen, aber wir haben Internet zu Hause!” Davon kann der ältere Pensions-Besitzer in Camaguey nur träumen: “Wir haben gar keinen Zugang zum Internet”, sagt er, “unsere deutsche Schwiegertochter in Ecuador beantwortet alle Mail-Anfragen und gibt es mir dann am Telefon durch.”

Elitäre Angelegenheit

Schriftzug 'Es lebe Fidel' neben einem Durchfahrt-Verboten-Schild. Foto: Vera Lisakowski

Es lebe Fidel. Foto: Vera Lisakowski

Gerade mit dem immer weiter wachsenden ausländischen Tourismus nach Kuba ist es für die Wirte der privaten Unterkünfte notwendig, im Internet vertreten zu sein. Erstaunlich viele haben eine eigene Homepage, bei Tripadvisor sind die meisten, einige bei Airbnb, bei Facebook nur wenige. Staatliche Tourismus-Unternehmen hingegen werben inzwischen damit, dass sie nicht nur im kubanischen Intranet und im Internet vertreten sind, sondern auch auf Facebook. Und das noch vor dem Besuch des “Klassenfeinds”. Aber nun soll es ja auch Google richten und das Internet in Kuba massentauglich machen. Bislang ist es jedenfalls sowohl in Kuba als auch im Iran eine elitäre Angelegenheit für die gebildete und finanziell abgesicherte Stadtbevölkerung – und nahezu ausschließlich ein Medium der persönlichen Kommunikation.


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