Für einen Journalismus, der fragt, wie es weitergeht

Veröffentlicht von Seminar Grimme Online Award 2017 am

Screenshot der Website Perspective Daily "WER"
Screenshot der Website Perspective Daily "WER"
Screenshot der Website Perspective Daily “WER”

Wie kann es weitergehen? Wie kann es besser werden? Zusätzlich zu den klassischen W-Fragen, versucht Perspective Daily als erstes deutschsprachiges, konstruktives Online-Medium, diese Fragen lösungsorientiert zu beantworten. Dabei zeigen sie statt Einzelereignissen Zusammenhänge auf. Ihre Themen sind so vielseitig wie ihre Autoren:  Statt ihre Artikel in Ressorts einzuteilen, steht jeder Autor bei Perspective Daily für einen anderen inhaltlichen Schwerpunkt. Das Spektrum reicht dabei von “Globales Handeln” über “Digitales Leben” bis zu “Arabische Welten und Migration” oder “Nachhaltigkeit 5.0″ und vielem mehr. Mit dem fachlichen Wissen der Autoren versucht Perspective Daily, konstruktive Antworten auf die ganz großen Fragen zu geben. Beim Grimme Online Award 2017 sind sie in der Kategorie “Wissen und Bildung” nominiert. Maren Urner, mit der das nachfolgende Interview geführt wurde, ist die Gründerin von Perspective Daily und gleichzeitig Expertin für Neurowissenschaften. Ihre Artikel drehen sich um Gruppenprozesse, kritisches Denken und Fake News und ihre Bedeutungen für unsere Gesellschaft. 

Wie bist Du auf die Idee gekommen, Perspective Daily zu gründen?

Das Team bei der Arbeit. Foto: Perspective Dailyq

Die Gründer Han Langeslag und Maren Urner; Foto: Perspective Daily

Ich habe bis 2013 in London gewohnt, habe da in Neurowissenschaften promoviert und parallel aber auch immer als freie Journalistin gearbeitet. Angefangen habe ich damals in der Schule mit einem Praktikum bei einer Lokalzeitung und habe dann immer weiter als freie Mitarbeiterin journalistisch und fachlich im Lokaljournalismus gearbeitet. In London haben mein Kollege Han, mit dem zusammen ich promoviert habe, und ich gemeinsam gemerkt, dass uns immer mehr die großen Fragen beschäftigen. Und dass wir über diese wirklich großen Fragen nach dem Klimawandel, über wachsende Ungerechtigkeiten oder Armutsfragen, viel zu selten etwas lesen, was einen konstruktiven und hoffnungsvollen Ansatz mit sich bringt. Dadurch entsteht auf der einen Seite ein zu negatives Weltbild und auf der anderen Seite eben auch eine gewisse Hoffnungslosigkeit bei den Menschen. Dann haben wir uns gefragt: Ok, wie kann man das ändern? Wenn wir diese Herausforderungen und Probleme angehen wollen, müssen wir dazu befähigt sein, im Englischen sagt man so schön “empowered” sein, diese Probleme auch lösen zu  können. Und dann haben wir uns die ganz einfache Frage gestellt: Woher bekommen wir die Informationen? Wo lernen wir, wie die Welt aussieht? – In den Medien. Dann haben wir gesagt: Wenn wir Verantwortung in dieser Richtung übernehmen wollen, können wir das am besten in den Medien, weil wir da den größtmöglichen Impact haben können und sind dadurch dann auf den konstruktiven und lösungsorientierten Journalismus gestoßen.

Kannst Du nochmal genau erklären, was  Konstruktiver Journalismus ist und was Ihr darunter versteht?

Die wichtigste Zutat ist die Fragestellung, also den Fokus, zu ändern. Also zu sagen: Es gibt hier ein Thema, und das ist in den meisten Fällen eben eine Herausforderung oder eine Problematik, und die möchten wir beleuchten. Der erste Schritt ist dann, diese Problematik zu durchdringen und mit Hintergrundinformationen detailliert darzustellen und dann im zweiten Schritt zu fragen: Was kann man dagegen tun und was wird bereits dagegen getan? Also wirklich immer diese beiden Schritte zu machen. Erst die Erklärung und dann über mögliche Lösungen oder mögliche Herangehensweisen zu sprechen und diese dann kritisch zu beleuchten. Für uns bedeutet das konkret, dass wir Autoren haben, die mit einem fachlichen Hintergrund ausgestattet sind. Wir haben bei uns vom Physiker bis zum  Germanisten über den Juristen alle möglichen Journalisten arbeiten. Alle haben diesen hybriden Hintergrund und bringen sowohl das Fachliche als auch das Journalistische mit.

Was unterscheidet Perspective Daily von anderen Online-Magazinen?

Die Autoren rund um Perspectiy Daily. Foto: Perspective Daily

Das Team von Perspective Daily; Foto: Perspective Daily

Die eine Zutat ist auf jeden Fall der Fokus auf dem Konstruktiven und Lösungsorientierten, so wie ich es eben umrissen habe. Die andere Zutat ist die fachliche Expertise der Autoren, die aber keinen Fachjournalismus, sondern gemeinverständlich über ihre Themen schreiben. Aber weil sie diese fachliche Expertise mitbringen, stecken sie natürlich ganz anders in den Themen drin und können dadurch auch andere Fragen stellen. Sie sind dadurch auch in der Lage, ihre Quellen zu bewerten und zum Beispiel bei wissenschaftlichen Studien zu schauen, ob diese methodisch gut oder schlecht sind.

Außerdem arbeiten wir nicht mit Werbung, sondern werden komplett über unsere Mitglieder finanziert. Das heißt, unsere Leser zahlen eine Jahresgebühr von 60 Euro und haben dadurch vollen Zugang zu allen Inhalten und bekommen einmal am Tag einen Artikel von uns. Das ist gleichzeitig auch unsere letzte Säule: Heutzutage können wir durch das Überangebot an Medien 24 Stunden am Tag Nachrichten lesen, hören und schauen und Informationen beziehen. Viel schwieriger ist es aber, zu sortieren, was man überhaupt konsumieren möchte und was einen wirklich in seinem Verständnis von der Welt weiterbringt. Da sagen wir bewusst: Manchmal ist langsamer vielleicht auch besser und weniger ist mehr. Deshalb gibt es “nur” einen Beitrag pro Tag. Der hat dann aber auch eine Lesezeit von 6-18 Minuten, sodass man sich ganz auf das Thema einlassen kann.

Screenshot: Startseite Perspective Daily

Screenshot: Startseite Perspective Daily

Welche Relevanz hat das Konzept von  Perspective Daily heutzutage, im Zeitalter der Fake News?

Eine super wichtige Bedeutung. Deshalb stellen wir unsere Quellen und Recherchemethoden offen dar. Wir versuchen mit sehr viel Ehrlichkeit darzustellen, wie wir journalistisch arbeiten, bis wohin wir gekommen sind und auch, wo wir nicht weitergekommen sind. Auf der anderen Seite behandeln wir das Thema auf einer psychologischen und neurowissenschaftlichen Basis auch inhaltlich: Wie sorgen Fake-News, Falschinformationen oder generell die Filterblase dafür, dass man sich mit einer Sache oder einer Gruppe identifiziert? Warum ist das gefährlich? Was bedeutet das gesellschaftlich und politisch? Uns ist wichtig zu zeigen, dass psychologische Themen sich nicht auf Krankheiten oder ähnliches beschränken, sondern auch bei gesellschaftlichen und politischen Fragen viel öfter Anwendung finden sollten.

Was für Zukunftspläne hat Perspective Daily?

Wir hoffen auf der einen Seite natürlich, die Mitgliederbasis stetig vergrößern zu können. An erster Stelle steht dabei immer unser Impact, also die Menschen, die wir erreichen möchten und die Möglichkeit, dadurch gesellschaftliche Diskussionen über Themen anzustoßen, die uns alle betreffen. Dafür ist es wichtig, dass wir eine möglichst große Reichweite im klassischen Sinne haben. Wenn wir mehr Mitglieder haben, können wir mehr Autoren finanzieren, können inhaltlich tiefer arbeiten und können auch aufwendigere Geschichten machen. Das ist ein ganz praktisches Ziel. Auf der anderen Seite arbeiten wir auch jetzt schon viel mit nationalen und internationalen Partnern zusammen und tauschen uns mit ihnen aus. Da sehen wir, dass der Konstruktive Journalismus auch in anderen Ländern gerade einen Aufwind erlebt und dass immer mehr Menschen in dem Bereich arbeiten und das vorantreiben. Wir sehen uns als Teil dieser internationalen Bewegung und wollen in Zukunft Perspective Daily nicht auf nationale Grenzen beschränken.

Das Interview führte Lotta Schütt.

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Die Interviews mit den Nominierten und die Videos sind im Rahmen eines Medienpraxis-Seminars an der Universität zu Köln entstanden.


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