Gutes Geld für guten Journalismus

Veröffentlicht von Vera Lisakowski am

Carsten Erdmann von der Funke Mediengruppe spricht beim Symposium "Erfolgreicher digitaler Journalismus". Foto: Daniel Kunkel
Carsten Erdmann von der Funke Mediengruppe spricht beim Symposium "Erfolgreicher digitaler Journalismus". Foto: Daniel Kunkel
Carsten Erdmann von der Funke Mediengruppe spricht beim Symposium “Erfolgreicher digitaler Journalismus”. Foto: Daniel Kunkel

Berichte aus der Praxis von der Funke Mediengruppe, dem DuMont Verlag und von Vice

88 Portale betreibt die Funke Mediengruppe im Digitalen. “Früher, da hatten wir Content, den haben wir ins Netz gestellt, damit Reichweite erzielt und Werbeeinnahmen generiert”, berichtet Carsten Erdmann, Editor in Chief Digital bei der Funke Mediengruppe. Heute aber sei “Reichweite ein endliches Geschäftsmodell, weil der Shift aufs Mobile geht und die Erlöse da endlich sind.” Wie so viele Verlage hat auch Funke nach Skandinavien geschaut und im Projekt “Oslo” eine Strategie für das Gesamtunternehmen entwickelt.

Ein Teil dieser Strategie ist die Unterscheidung in Reichweitenportale und Markenportale, wobei letztere Erlöse über eine Paywall erzielen sollen. “Wir stellen uns das so vor, dass wir von den Reichweitenportalen auch Leads generieren für die Markenportale”, erläutert Erdmann. Zwar ginge man bei Funke auf eine Paid-Strategie, aber Reichweite sei nach wie vor eine ganz wichtige Variante. Die erste Paywall richtete der Verlag für das Hamburger Abendblatt ein – mit überraschend gutem Erfolg. “Haupttreiber war, dass wir den Bestellvorgang radikal vereinfacht haben. Das hat die Conversion Rate um 70 Prozent erhöht”, so Erdmann, “wir glauben, dass man für Inhalte im Netz Geld nehmen kann.”

Wichtigster Hebel sei aber die Arbeit der Redaktionen, was einen Großverlag wie Funke vor Herausforderungen stelle. 1.000 Arbeitsplätze, vier unterschiedliche Zeitungsformate und vier unterschiedliche CMS fordern nun eine starke Vereinheitlichung. Der Verlag sei ein sehr dezentral organisiertes Haus gewesen. “Aber wir brauchen, wenn wir im Digitalen erfolgreich sein wollen, ein gemeinsames Verständnis darüber, wie wir arbeiten wollen”, stellt Carsten Erdmann fest. Und so traf man sich zu einem zweitägigen internen Workshop, auf dem die “unterschiedlichsten Vorstellungen über die Arbeit im und mit dem Digitalen zusammenkamen”.

Daten vs. vermutetes Nutzerverhalten

Ein weiterer Ansatz war die konsequente Auswertung der Nutzungsdaten – bei denen sich Überraschendes zeigte: “Der Output und das Nutzerverhalten waren komplett unterschiedlich”, berichtet Erdmann, “die Zeitungsproduktion lief von 9 bis 18 Uhr, Paywall-Abos werden aber um 8 Uhr morgens abgeschlossen.” Es mussten sich völlig veränderte Workflows entwickeln, sowie Themenfindung und Arbeitszeiten geändert werden. Nun gibt es einen Newsdesk, der 18 Stunden am Tag Inhalte für die Website produziert, die Zeitungsproduktion wird nachgelagert. Teilweise wurden die Verlagsbereiche zu interdisziplinären Teams zusammengezogen, in Hamburg sitzt zum Beispiel der Vertrieb in der Redaktion.

Ganz wichtig, das betont Carsten Erdmann noch einmal, seien für die Funke Mediengruppe derzeit die Daten als journalistisches Steuerungsinstrument, bei dem die Nutzer in drei unterschiedliche Gruppen eingeteilt und die Beiträge in einem Artikel-Score aus fünf Komponenten bewertet würden. Daraus könne man als Redaktion schließen, was man mache und worauf man zukünftig verzichte.

Till Rixmann von DuMont Rheinland bei seinem Vortrag beim Symposium "Erfolgreicher digitaler Journalismus". Foto: Daniel Kunkel

Till Rixmann von DuMont Rheinland bei seinem Vortrag beim Symposium “Erfolgreicher digitaler Journalismus”. Foto: Daniel Kunkel

Projekt Diamant

Auch das Medienhaus DuMont entwickelt ein Konzept zur Monetarisierung seiner Inhalte. “Ich versuche, den letzten Cent aus den Nutzern herauszuholen”, sagt Till Rixmann, der Leiter Business Development und Strategic Partnerships bei DuMont Rheinland, und umschreibt damit seine ökonomische Sicht auf das Thema Journalismus.

DuMont sei im Kölner Zeitungsgeschäft monopolistisch unterwegs, im Portfolio seien Tageszeitungen und Anzeigenblätter, außerdem Radio- und TV-Beteiligungen, Ticketing, Fachmedien aber auch ein Shop mit Köln-Produkten, zählt Rixmann auf. Mit den Produkten erreiche man vier von fünf Rheinländern täglich – und doch: “Die Auflagen der Tageszeitungen sind überall rückläufig. Im Boulevard ist es ganz krass, da verlieren wir 10 Prozent pro Jahr.” Und doch scheint Rixmann mit einer gewissen Gelassenheit auf den Wandel zu blicken: “300 Jahre konnten wir davon super leben, aber irgendwann ändert sich halt alles.”

Dieser Änderung muss sich auch das Medienhaus DuMont stellen, gewählt wurde für das Paywall-Konzept der Name “Diamant”: “er ist wertvoll, aber man muss ihn erst in Form bringen”, so Rixmann. “Im Digitalen waren wir bisher auf Reichweite aus”, doch wie Carsten Erdmann stellt auch Till Rixmann fest, dass sich im Mobilen mit Reichweite nur schwer Geld verdienen lässt. In einem mehrstufigen Verfahren wurde bei DuMont zunächst eine Registrierung für bestimmte Services wie Dossiers oder einen WhatsApp-Newsletter eingeführt, um ein “Grundrauschen” zu erzeugen. Seit August 2018 sind Archiv-Artikel, die älter als vier Wochen sind, auch nur noch für registrierte Nutzer lesbar, im September kamen einzelne News-Artikel hinzu, was den Machern Aufschluss über Interessen geben soll. In der Entwicklung seien nun Pay-Pakete für den Kölner Stadt-Anzeiger und die Kölnische Rundschau sowie ein Premium-Channel für den Express – und schon jetzt habe sich gezeigt, dass Express-Nutzer extrem loyal seien. Was Till Rixmann jedoch für die Paywall verspricht: “Kommentare oder Hintergrundinformationen kommen hinter die Paywall. Aber alles, was gesellschaftlich relevant ist, Informationen zu einem Brandanschlag oder ähnliches, werden wir nicht verschranken.”

Sara Schurmann von VICE bei ihrem Vortrag beim Symposium "Erfolgreicher digitaler Journalismus". Foto: Daniel Kunkel

Sara Schurmann von VICE bei ihrem Vortrag beim Symposium “Erfolgreicher digitaler Journalismus”. Foto: Daniel Kunkel

Sex and Drugs und Politik

Wer nur das deutsche “Vice” kennt, wird sich vermutlich wundern, dass die Textchefin Sara Schurmann in diesem Block spricht. “Vice” ist aber ursprünglich gar kein reines Online-Produkt und zumindest etwas älter, als man vermuten würde: 1994 wurde das Subkultur-Magazin in Montreal zum ersten Mal gedruckt. “Vice möchte die einflussreichste Jugendmedienmarke der Welt werden”, sagt Sara Schurmann, “dazu möchten wir das Publikum mit Geschichten erreichen, die man nirgendwo anders findet”.

Dabei verlassen sich die Redakteure nicht komplett auf erhobene Daten, sondern vor allem auf ihr journalistisches Gespür. “Wir sind als Macher der Zielgruppe sehr ähnlich. Wir schauen, was unsere Leser interessiert und berührt. Und natürlich gibt es einen journalistischen Blick darauf, was fehlt in der Debatte”, so Schurmann, ein Bild von den Lesern würden sie sich aber schon machen. Bei einer Nutzerumfrage hätten sie ermittelt, dass Vertrauen, Einfluss und Einzigartigkeit die wichtigsten Faktoren seien. “Wir sind hauptsächlich für Sex und Drogen bekannt, aber die mit am besten laufenden Stücke sind Politik-Stücke”, äußert Schurmann Überraschendes, “die richtigen Reichweiten machen wir mit den großen, gut recherchierten Stücken”.

Das Geschäftsmodell von Vice beruht auf Reichweite, es sei also wichtig, viel Aufmerksamkeit zu bekommen. Dazu tragen auch Aktivitäten in Sozialen Medien wie zum Beispiel Snapchat bei. Es gebe zwar kein komplettes Monetarisierungsmodell für Snapchat, die Interaktion dort sei aber extrem hoch.

Mehr als Reichweite

“Mit den größeren Stücken machen wir mehr Reichweite, dafür lassen wir viele kleine Sachen weg. Das haben die Daten gezeigt”, sagt dann auch Sara Schurmann in der anschließenden Diskussion, “wir merken, dass die Qualitätssteigerung zu einer größeren Reichweite und zu einer Attraktivitätssteigerung bei Kunden führt.” Und Carsten Erdmann bekräftigt: “Wir haben lange Journalismus aus dem Bauch heraus gemacht. Einzelmeinungen haben den Journalismus bestimmt. Daten sind ein Instrument, um es stärker am Leser zu orientieren.” Dabei ginge es aber keinesfalls nur um Reichweite, sondern es würden mehrere Punkte betrachtet. Und es zeige sich, dass man natürlich mit Trash hohe Klickzahlen erreiche, aber auch die relevanten Themen wirklich gut gingen. Perspektivisch werde man bei Funke dorthin kommen, dass auch die Startseiten algorithmusgesteuert seien, darüber stünde aber immer noch die Redaktion, die händisch eingreifen könnte.

Viele Faktoren würden zum Thema Qualität beitragen, bekräftigt auch Till Rixmann, “wenn Reichweite ein alleiniger Indikator wäre für Qualität, dann wäre der Express ein absolutes Qualitätsblatt.” Das Alleinstellungsmerkmal einer Regionalzeitung läge im Lokalen und im lokalen Sport, so haben die DuMont Mediengruppe und die Verlagsgesellschaft Madsack eine gemeinsame Zentralredaktion gebildet. “Nationale Berichterstattung können wir uns nicht mehr leisten”, so Rixmann. Die relevantesten Teile für den Leser seien die, wo über das direkte Lebensumfeld berichtet würde, das habe man früher zu wenig beachtet. “Mir ist lieber, ich habe eine gute Rezension über eine Oper, die womöglich nur 100 Leser hat – aber die sind treu”, außerdem habe man im Lokalen durchaus auch den Auftrag, “der Stadt auf die Finger zu hauen”.

Diskussion über mögliche Erlösmodelle von digitalem Journalismus. Foto: Daniel Kunkel

Diskussion über mögliche Erlösmodelle von digitalem Journalismus. Foto: Daniel Kunkel

Querfinanzierung als Modell?

Lässt sich dieser Journalismus aber auch finanzieren? “Die lokalen Geschichten haben eine gute Conversion”, sagt Carsten Erdmann, grundsätzlich glaube er auch, dass es momentan einen Wandel gebe und eine Bereitschaft bestehe, für Inhalte im Netz zu bezahlen. Man könne zwar immer querfinanzieren, aber die Herausforderung sei, im journalistischen Bereich für Inhalte ein Geschäftsmodell aufzubauen. Zur Querfinanzierung ergänzt Till Rixmann, dass das Medienhaus DuMont im Consumer-Offers-Bereich zwar groß aufgestellt sei, man aber nicht vergessen dürfe, aus welcher Umsatzflughöhe man mit dem Verlagsgeschäft käme. “Das sind nicht die Sachen, die uns den wegbrechenden Umsatz kompensieren werden”, so Rixmann. Auch Vice hat zum Beispiel mit einer Agentur für Kampagnen innerhalb wie auch außerhalb des Hauses eine Möglichkeit zur Querfinanzierung, finanziert sich sonst aber über Werbung, und “in diesem Jahr sind wir auf einem guten Weg, unsere Ziele in der Werbeauslastung zu erreichen”, berichtet Sara Schurmann.

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