Von Yellowfacing, Klischees und Sichtbarkeit

Veröffentlicht von Interviews Nominierte 2019 am

Minh Thu Tran und Vanessa Vu sitzen in einem asiatischen Laden.
Minh Thu Tran und Vanessa Vu sitzen in einem asiatischen Laden.

Ein Chinesenkostüm an Karneval ist kein seltener Anblick. Wieso das aber verletzend sein kann, erklären Minh Thu Tran und Vanessa Vu, Töchter vietnamesischer Einwanderer, in ihrem Podcast „Rice and Shine“. Im Februar 2018 starteten die beiden die erste Folge mit dem Titel „Frohes Hundejahr!“ und überraschen seitdem ihre ZuhörerInnen monatlich mit neuen Themen und Ansichten. Mit viel Offenheit und Humor reden sie über alles, was sie bewegt.

„Rice and Shine“ ist für den Grimme Online Award in der Kategorie Kultur und Unterhaltung nominiert. Minh Thu Tran erklärt im Interview, mit welchen Klischees sie konfrontiert wird und wie ihre Eltern zu ihrer Offenheit im Netz stehen.

Wie kamt ihr darauf, den Podcast zu starten?

Wir haben den Podcast letztes Jahr im Februar gestartet. Es gab keinen Schlüsselmoment in dem Sinne. Es war einfach unsere verbindende Zeit in der Journalistenschule. Wir waren dort tatsächlich Banknachbarinnen. Es war für uns einfach dieser krasse Umstand, dass wir noch nie Leute in unserer Bubble hatten, die auch Deutschvietnamesen waren. Wir konnten uns auf einer so tiefen Ebene austauschen, wie wir sie mit unseren nicht vietdeutschen Freunden nicht bekommen konnten. Wir haben uns zum Beispiel in der Schule vietnamesiches Essen gekocht. Wir wollten dieses verbindende Element einfach mal irgendwie in die Öffentlichkeit tragen. Deswegen wollten wir diesen Podcast machen. Wir waren beide bei unseren Eltern in Bayern zuhause und haben gedacht: Okay, treffen wir uns halt in München und starten das mal. Und haben dann direkt drei Folgen auf einmal aufgenommen.

Yellowfacing und Co. sind Themen, die ihr ansprecht. Wurdet ihr selbst schon mit Rassismus konfrontiert? Wenn ja: Wie und wann geschah das? 

Ich sag mal: „Every other month.“ Alle ein bis zwei Monate gibt es mal wieder irgendwen, der mir „sching schang schong“ oder „Konichiwa“ hinterherruft. Ansonsten bin ich in der Schule gehänselt worden mit „Katzenfresser“, „Streber“, „Hundefresser“ – also all diesen schrecklichen Schimpfworten, die Kinder einem an den Kopf werfen. Außerdem sind wir im Bewusstsein von „Rostock-Lichtenhagen“ aufgewachsen. In den 90ern, mit Bildern von diesem schrecklichen Lynchmob, der an diesen Sonnenblumenhäusern stand. Betroffen waren vor allem Vietdeutsche; das ist im deutschen Gesamtbewusstsein gar nicht so verankert, dass es damals Vietdeutsche waren, die von Rassismus betroffen waren. Unsere Eltern hatten dadurch auch immer Angst um uns. Es gab immer diese diffuse Angst vor Rassismus, und das bestimmt schon auch irgendwie unser Leben. Wir haben nicht die ganze Zeit Angst vor Rassismus, aber es ist schon ein Faktor, der irgendwie immer präsent ist.

Was sind die häufigsten Klischees, mit denen ihr konfrontiert werdet?

Alle denken immer, wir seien super gut in Mathe. Was natürlich nicht stimmt. Diese ganzen Klischees von nerdigen Asiaten, die gut in der Schule sind, treffen in bestimmten Punkten, vor allem in der ersten Generation, bestimmt auch zu, weil unsere Eltern in dieser Hinsicht so viel Druck gemacht haben. Aber die Klischees nerven trotzdem.

Was wollt ihr mit eurem Podcast bewirken?

Im Endeffekt haben wir uns dazu am Anfang gar nicht so viele Gedanken gemacht. Es ging halt eher um Sichtbarkeit. Unsere Geschichte und unsere eigenen Themen unter unseren eigenen Bedingungen erzählen. Das ist der Grund, weshalb wir das machen. Und natürlich wegen der Community.

Hattet ihr anfänglich Bedenken, so offen über euer Privatleben zu reden? Wie war die Resonanz?

Klar hatten wir Bedenken. Aber ich glaube, wir beide sind, was uns und unsere Familien angeht, an einem Punkt, wo wir relativ offen über Themen reden können. Auf jeden Fall offener als noch vor zehn Jahren. Deswegen war das für uns beide in Ordnung. Ich glaube, wir würden jetzt nicht krass über unser Sexleben oder so reden. Das ist einfach nicht unser Metier. Wir ziehen da schon bestimmte Grenzen. Aber ich glaube, über unsere Kindheit zu reden, ist nicht so das Problem gewesen.

Ihr redet darüber, dass in vietnamesischen Familien vieles totgeschwiegen wird. Wie stehen eure Familien denn zu dieser Offenheit im Netz?

Porträt von Minh Tu auf dem Grimme Online Award

Minh Thu Tran bei der Bekanntgabe der Nominierten für den Grimme Online Award 2019. Foto: Rainer Keuenhof / Grimme-Institut

Ich glaube, dadurch, dass sie auch Migrationserfahrung hatten und wirklich keinen Referenzpunkt dazu haben, wie es einem in der Diaspora in Deutschland geht, abgekoppelt vom Herkunftsland sozusagen, war es für sie dann auch schön, diese Verarbeitung  durch ihre Kinder zu sehen. Unsere Eltern gehören, glaube ich, auch zu unseren größten Fans. Meine Mutter zum Beispiel übersetzt, sobald eine neue Folge rauskommt, unsere Folgenzusammenfassung auf Vietnamesisch und teilt das dann in allen sozialen Netzwerken, allen Whatsapp-Gruppen und allem, was meine Mutter sich da sonst noch an Social-Media-Kanälen zugelegt hat. Unsere Eltern unterstützen uns tatsächlich sehr.

Das Interview führte Linn Muscheid.

Die Interviews entstanden in medienpraktischen Übungen und Seminaren im Bachelor-Studiengang Online-Redaktion an der TH Köln.


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