Comic-Kunst mit Zeitgeist

Veröffentlicht von Interviews Nominierte 2019 am

Screenshot "Krieg und Freitag"
Screenshot "Krieg und Freitag"

Tobias Vogel ist mit “Krieg und Freitag” für den Grimme Online Award 2019 in der Kategorie Kultur und Unterhaltung nominiert. Auf Twitter, Facebook und Instagram veröffentlicht Tobias Vogel unter dem Pseudonym “Krieg und Freitag” regelmäßig Strichmännchen-Zeichnungen zu gesellschaftlichen, politischen oder auch persönlichen Themen. 

Um gegen die Nazi-Ausschreitungen in Chemnitz 2018 zu protestieren, startete er eine Spendenkampagne: Pro 5 Euro Spende fügte er seiner Zeichnung einen Strichmensch hinzu. Sein ursprüngliches Ziel von 5.000 Euro (= 1.000 Strichmenschen) übertraf er weit.

Sind deine Illustrationen reale Situationen aus deinem Leben oder fiktive Geschichten?

Die ersten Illustrationen und Comics sind aus realen Situationen entstanden, damit ging alles los. Da in meinem Leben aber nicht jeden Tag eine interessante Situation entsteht, musste ich dann irgendwann auf meine Fantasie zurückgreifen (lacht). Mittlerweile ist es eine Mischung aus beidem. Ca. 80 Prozent sind ausgedacht oder reale Situationen, die ich sehr stark verfremdet habe. Viele Illustrationen sind aber auch Veranschaulichungen, die zeigen, wie ich selbst als Mensch ticke.

Welche der vielen dargestellten Themen treffen den Nerv des Publikums am meisten?
 Schlechte Laune? Müdigkeit? Popkulturelle Anspielungen?

Wenn ich das wüsste, hätte ich wahrscheinlich noch ein paar mehr virale Volltreffer gelandet (lacht). Das ist gar nicht so einfach zu sagen. Ich überlege selbst häufiger, was die Leute eigentlich an dem, was ich mache, reizt, und was sie besonders gut finden. Es sind extrem unterschiedliche Sachen, die gut ankommen – sowohl dumpfe Wortspiele als auch irgendetwas Poetisches. Es kann grumpy sein, muss es aber nicht … Das Publikum ist da leider extrem undurchschaubar (lacht). Aber so bleibt es auch spannend!

Tobias Vogel bei der Bekanntgabe der Nominierten Foto: Rainer Keuenhof / Grimme-Institut

Tobias Vogel bei der Bekanntgabe der Nominierten. Foto: Rainer Keuenhof / Grimme-Institut

Was hat es mit der „Strichmännchenkette gegen Nazis“ auf sich?

Ich hatte die Idee, dass man mit den Illustrationen und der medialen Reichweite bestimmt auch gut Geld für gute Zwecke sammeln könnte. Für mich hatte der Gedanke Sinn und ich war mir sicher, dass es funktionieren würde. Dass es dann aber letztendlich sooo krass funktionierte, hätte ich am Anfang nicht gedacht. Mein Plan war, innerhalb eines Monat 5.000 Euro zu sammeln. Dass es dann letztendlich 17.000 Euro geworden sind, hätte ich niemals erwartet. Zusammen mit dem, was sich zu diesem Zeitpunkt in Chemnitz zugetragen hatte, hat sich eine komplett runde Geschichte ergeben. Es gibt so viele Sachen, die in der Welt schief laufen, aber in diesem Fall hat sich einfach das besonders angeboten.

Was ist nach der Strichmännchenkette dein nächstes großes (Zeichen-)Ziel? Möchtest du in Zukunft noch einmal mit deinen Arbeiten Gutes tun bzw. Geld für einen guten Zweck sammeln?

Ja, auf jeden Fall! Aber ich plane so etwas nicht auf Biegen und Brechen. Für mich muss am Anfang eine sinnvolle Idee mit Potenzial stehen. Es geht mir nicht nur um das Geldsammeln an sich; es sollen auch eine originelle Idee und ein besonderer Zweck dahinter stehen. Ich glaube, nur dann funktioniert es. Es ist mir aber in jedem Fall wichtig, dass ich meine Reichweite auch dazu nutze, Gutes für die Welt zu tun. Außerdem denke ich auch, dass damit eine gewisse Verantwortung einhergeht. Im Grunde denke ich ständig darüber nach, was ich charity-mäßig als nächstes tun könnte. Die nächste zündende Idee hatte ich jetzt noch nicht … aber sie kommt bestimmt!

Wird es eine Illustration zum oder über den Grimme Online Award geben?

Ja! Und das nicht nur nach der Preisverleihung, sondern höchstwahrscheinlich auch währenddessen, denn ich möchte ja gerne den Publikumspreis gewinnen (lacht)! Ich weiß, das ist ein sehr ambitioniertes Ziel. Aber Comics mit dem Grimme Online Award als Thema wird es auf jeden Fall geben. Allein, um zum Abstimmen zu motivieren, werde ich etwas dazu posten. Und nach dem Award – egal, wie er ausgehen wird – werde ich bestimmt alles auch noch mal in irgendeiner Form verarbeiten.

Das Interview führte Jasmin Kessler.

Die Interviews entstanden in medienpraktischen Übungen und Seminaren im Bachelor-Studiengang Online-Redaktion an der TH Köln.


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