Pandemia: Leben in einer Welt mit Viren

Veröffentlicht von Interviews Nominierte 2021 am

Screenshot "Pandemia – Die Welt. Die Viren. Und wir."
Screenshot "Pandemia – Die Welt. Die Viren. Und wir."
Screenshot “Pandemia – Die Welt. Die Viren. Und wir.”

Cholera, Pocken, Masern – nicht erst mit Corona haben schwere Infektionskrankheiten den Alltag der Menschen nachhaltig verändert und Krisen ausgelöst. Was wissen wir über Seuchen? Welche Erfahrungen haben Betroffene gemacht? Und was können wir aus dem Umgang mit früheren Seuchen und aus der Bewältigung von Krisen, die diese ausgelöst haben, für unsere aktuelle Lage lernen? Diesen Fragen gehen die Wirtschaftsjournalist*innen Kai Kupferschmidt und Laura Salm-Reifferscheidt sowie Moderator Nicolas Semak in dem Podcast “Pandemia – Die Welt. Die Viren. Und wir.” nach.

Der Podcast ist für den Grimme Online Award 2021 in der Kategorie “Wissen und Bildung” nominiert. Im Interview berichtet Nicolas Semak, Journalist und Mitgründer von Viertausendhertz, von den Anfängen, der Entwicklung und der Zukunft des Podcasts und von einem ganz besonderen Erlebnis in der Charité.

Hatten Sie schon vor Corona den Plan, etwas gemeinsam zu produzieren, oder kam Ihnen die Idee dann einfach so zugeflogen?

Wir kennen uns zwar schon eine ganze Weile, haben aber noch nicht viel zusammen produziert. Meine Kollegin Laura-Salm Reifferscheidt macht Reportagen aus dem Ausland, die sich hauptsächlich mit Gesundheit und Gesellschaft international beschäftigen; wir haben mal zusammen an einer Reportage aus Indien gearbeitet. Kai Kupferschmidt kenne ich privat, aber obwohl wir uns schon öfter gedacht haben, dass es spannend wäre, etwas zusammen zu machen, haben wir noch nie zusammengearbeitet. Ehrlich gesagt hatte ich das Thema Viren vor dem Podcast für mich gar nicht so auf dem Schirm. Es hat sich dann relativ spontan und schnell entschieden, dass wir den Podcast alle zusammen produzieren, weil wir dachten, dass sich die Menschen jetzt bestimmt auch mehr für diese Themen interessieren werden.

Wie finden Sie zu Ihren Themen? Wie lange dauert es, einen Gesprächsverlauf zu planen?

Screenshot "Pandemia – Die Welt. Die Viren. Und wir."
Screenshot “Pandemia – Die Welt. Die Viren. Und wir.”

Kai Kupferschmidt beschäftigt sich seit 20 Jahren mit Infektionskrankheiten und ist demnach Koryphäe in dem Bereich. Ich bekomme die Themen eigentlich immer vorgeschlagen. Wir überlegen dann zusammen, was wir zu den jeweiligen Zivilisationskrankheiten für eine Geschichte erzählen können, welche Aspekte relevant und dramaturgisch interessant sind. Und dann gehen wir auch schon in die Aufnahme. Wir dachten uns aber, dass man bei Infektionskrankheiten vermutlich viel an medizinische Themen, Diagnostik usw. denkt und dass das etwas trocken werden könnte. Dabei finde ich, dass solche Themen, gerade im internationalen Bereich, sehr eng mit menschlichen Geschichten verbunden sind. Man spricht mit Betroffenen und lernt die Gesichter hinter Impfstoff-Forschung kennen. Ich musste auch erst einmal verstehen, dass das alles gesellschaftliche, zwischenmenschliche Themen sind, die spannend zu erzählen sind.

Also sehen Sie Ihre Rolle beim Aufbau einer Podcast-Folge im Finden von diesen zwischenmenschlichen Geschichten?

Genau, das sind die Aspekte, die mich interessieren. Ich bin zwar auch total naturwissenschaftlich interessiert, aber ich glaube, meine Rolle ist auch, ein bisschen darauf zu achten, dass das Ganze nicht zu unverständlich wird. Meine Kolleg*innen beschäftigen sich seit 20 Jahren mit diesen Themen und dann kann es für Zuhörer ohne Vorkenntnisse schnell mal ziemlich komplex werden. Mittlerweile kennen wir ja alle Begriffe wie R-Werte oder Inzidenz. Das ist über den Verlauf der Pandemie irgendwie gelernt worden. Aber ich muss immer darauf achten, dass vor allem auch die Aspekte eine Rolle spielen, die nicht nur naturwissenschaftlich sind.

Glauben Sie, dass Ihr Angebot auch nach Corona noch interessant sein wird? Wo sehen Sie die Zukunft des Podcasts?

Ja, darüber denkt man natürlich nach. Natürlich war das jetzt die ganze Zeit interessant für viele Menschen, obwohl wir ja nicht nur über Corona sprechen, sondern über ganz viele Krankheiten. Aber wir merken auch, dass sich die Lage durch die Impfung etwas entspannt und die Menschen vielleicht gar nicht mehr so viel Lust haben, sich ständig mit Krankheiten zu beschäftigen. Ich glaube, niemand von uns hat erwartet, dass so etwas wie Corona passieren kann, etwas, das so drängend oder Hauptthema für ein ganzes Jahr wird. Aktuell gibt es aber noch viele Fragen zu beantworten, die sich um Infektionskrankheiten und vor allem um Corona drehen. Es gibt natürlich auch Verschränkungen mit ganz vielen anderen Themen, zum Beispiel mit dem Klimawandel, mit sozialen, gesellschaftlichen Problemen oder damit, dass die Menschen immer enger mit Tieren zusammenleben. Und weil uns solche Themen auch persönlich sehr wichtig sind, werden wir da sicher weiter dran arbeiten. Aber wir haben auch schon überlegt, ob wir das Ganze nicht etwas breiter aufstellen sollen und andere naturwissenschaftliche Themen mit ins Repertoire aufnehmen. Man wünscht sich selbst auch manchmal eine kleine Pause von den Krankheitsthemen.

Sie bringen in die Podcast-Folgen oft Ausschnitte aus Gesprächen ein, die sehr naturwissenschaftlich geprägt oder auch in englischer Sprache sind. Wollen Sie mit Ihrem Podcast eine bestimmte Zielgruppe ansprechen?

Darüber sind wir eigentlich laufend im Gespräch. Wir diskutieren immer, wie zumutbar es eigentlich ist, wenn man Fachleute, und dann häufig auch auf Englisch, interviewt, und das in einen deutschen Podcast überführt. Wir denken aber, dass es vielleicht gar nicht so schlimm ist, wenn man die Leute ein bisschen fordert. Das haben wir auch bei dem Podcast mit Christian Drosten bemerkt. Davor hätte niemand vermutet, dass ein Format, das auch fachlich so in die Tiefe geht, die breite Masse erreichen würde. Uns war auch wichtig, dass wir, wenn wir mit Betroffenen reden, nicht einfach über das Gesagte drüber quatschen, wie es ja oft gemacht wird, und man den Menschen dahinter nur fetzenweise hört. Klar kann das kompliziert werden, da wir keine Untertitel benutzen können; aber uns ist es lieber, dass man die Emotionen oder die Berührung der Menschen mitbekommt. Das merkt man ja oft am Tonfall, selbst wenn man nicht jedes Wort verstehen sollte.

Was sind die wichtigsten Lehren, die Sie bis jetzt gezogen haben? Gab es ein besonders schönes oder lohnendes Erlebnis, das Sie mit dem Podcast verbinden?

Screenshot "Pandemia – Die Welt. Die Viren. Und wir."
Screenshot “Pandemia – Die Welt. Die Viren. Und wir.”

Die größten Lehren aus Produzentensicht waren sicher, dass man lernt, Spontaneität und Planung miteinander zu verbinden und die Kontrolle über ein Thema zu behalten, obwohl man auch ein bisschen impulsiv handeln kann. Ansonsten war es für mich total spannend, zu Christian Drosten in die Charité zu gehen, in einem Moment, in dem die ganze Nation hingesehen hat. Das war natürlich ein tolles Erlebnis, dass er sich Zeit für uns genommen hat, sein Labor gezeigt hat und wir die ersten Schnelltests, die gerade bei ihm im Labor ankamen, selbst ausprobieren konnten. In solchen Momenten hat man irgendwie das Gefühl, dass man gerade bei einer Entwicklung dabei ist. Das ist schon spannend.

Hilft Ihnen der Podcast bei der Verarbeitung der Pandemie und ihrer Folgen?

Absolut. Für mich – ich glaube, für uns alle drei – war das ein Wahnsinns-Glücksfall, dass wir uns einfach spontan entschlossen haben, das zu tun. Wir hatten zuerst nur geplant, über Corona auf internationaler Ebene zu berichten. Also pro Folge in verschiedene Länder zu gehen. Es war gar nicht geplant, dass wir verschiedene Krankheiten behandeln. Das heißt, der Podcast war anfangs auch als Format gedacht, das den Blick etwas von einem selbst weglenken soll. Aber ganz unabhängig davon war das für mich eine Schicksalsgemeinschaft, die total eng war. Im ersten halben Jahr der Pandemie haben wir gemerkt, dass wir so ziemlich die einzigen waren, die sich noch getroffen haben. Wir haben uns immer im Studio gesehen und über diese Themen unterhalten. Kai ist ja wahnsinnig involviert in die ganze Thematik und konnte uns immer erzählen, was gerade so abläuft. Wir sind freundschaftlich verbunden. Ich weiß gar nicht, wie es für mich persönlich ohne die beiden gewesen wäre. Ich glaube, den anderen beiden geht es da auch so. Es hat uns extrem geholfen.

Was ist Ihre Meinung zu Querdenkern? Können Sie mit Ihrem Erfahrungsschatz und Wissen eine solche Einstellung überhaupt noch nachvollziehen?

Das ist ganz interessant, weil ich am Anfang, als das aufkam, sehr impulshaft ablehnend reagiert habe. Sehr verärgert, sehr wütend. Wie man eben auf Absurditäten, wie sie da teilweise zu Tage treten, reagiert. Aber Kai Kupferschmidt hat sich ja lange mit Pandemien und Epidemien beschäftigt und kennt sich mit den Ängsten und Irrationalitäten, die in der Bevölkerung entstehen können, aus. Es ist nicht so, dass ich für alles, was in dem Bereich passiert, Verständnis hätte, und erst recht nicht für diese Querverbindungen von Menschen, die diese Bewegung ausnutzen. Aber ich kann jetzt die Verunsicherung der Menschen deutlich besser verstehen. Und ich glaube, man kann nicht immer erwarten, dass jede*r die wissenschaftlichen Erkenntnisse und die Kommunikation darüber so verarbeiten kann, dass man alles akzeptieren kann, was hier passiert. Es ist einfach zu erwarten, dass ein Teil der Bevölkerung sehr extrem reagiert. Ich bin da mit meinen Verurteilungen vorsichtiger geworden.

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Screenshot – Nicolas Semak – Pandemia Podcast

Das Interview führten Kim Hoffmann, Moritz Heise und Niuscha Peimudeh.
Die Interviews entstanden in medienpraktischen Übungen im Bachelor-Studiengang “Mehrsprachige Kommunikation” an der TH Köln.


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